In diesem Jahr wird der Landesjagdverband Schleswig-Holstein e.V. 70 Jahre alt. Grund genug, um einen kurzen Rückblick zu halten.
Das Jahr 2020 ist für den Landesjagdverband Schleswig-Holstein e.V. (LJV) ein besonderes Jahr. In diesem Jahr kann der Verband auf sein 70-jähriges Bestehen zurückblicken. Zur Feier dieses „runden Geburtstages“ sollte am 27. Juni 2020 der Landesjägerball in Travemünde stattfinden. Doch dann kam die Corona-Krise. Trotzdem wollen wir einen kurzen jagdgeschichtlichen und somit verbandsgeschichtlichen Rückblick auf die letzten 70 Jahre wagen.
„In jedem Ende liegt ein neuer Anfang“. Dieser Ausspruch trifft die Situation zur Gründungszeit des Verbands auch nach jagdhistorischen Gesichtspunkten relativ genau. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam das gesamte öffentliche Leben zum Erliegen. Selbstredend war hiervon auch die Jagd in vollem Umfang betroffen. Die schleswig-holsteinischen Jagdreviere wurden von der britischen Militärregierung beschlagnahmt. Der private Besitz sowie der Einsatz von Jagdwaffen war verboten. Die Jagdausübung weder möglich noch erlaubt. Doch dauerte es nicht lange, bis sich erste lockere Organisationsformen bildeten.
Am 23. April 1946 trafen sich die Vertreter der hiesigen Jägerschaft und Forstwirtschaft mit J. G. King, dem zuständigen Vertreter der britischen Besatzungsmacht, um Fragen zur Wiederaufnahme der Jagd und zu den allgemeinen jagdlichen Rahmenbedingungen zu klären. Unter den Anwesenden war auch Dr. Karl Henningsen, der von 1950 bis 1967 erster Präsident des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein werden sollte. Nach und nach setzten Lockerungen ein. Jagwaffen wurden in der Folge wieder ausgehändigt, gepachtete Reviere wurden bis 1952 wieder an die ursprünglichen Jagausübungsberechtigten übergeben und die jagdrechtlichen Rahmenbedingungen erarbeitet. Galten zunächst die jagrechtlichen Bestimmungen des Reichsjagdgesetzes von 1934, natürlich unter Streichung der nationalsozialistischen Beigaben, wurde 1952 das Bundesjagdgesetz ausgefertigt und verkündet. 1953 folgte das Landesjagdgesetz. Mit Unterzeichnung des Gründungsprotokolls am 20. Januar 1950 wurde die Eintragung des LJV in das Vereinsregister angestrebt. Mit der erfolgten Ersteintragung vom 28. Juni 1950 war der LJV somit gegründet und rechtlich als Verein aus zivilgesellschaftlichem Engagement auf eine demokratische Basis gestellt worden. Der neu gegründete Verband vereinigte 97% der Jagdscheininhaber Schleswig-Holsteins, was ungefähr 9000 Mitgliedern entsprach. Die erste Mitgliederversammlung fand am 28. Juli 1950 in Flensburg statt.
Auch die Aufgaben des Verbandes wurden von Anfang an klar formuliert. So heißt es in §2 der ersten Satzung: „[…] Der Verband setzt sich für die Selbstverwaltung der schleswig-holsteinischen Jäger ein und strebt damit ihre Vertretung gegenüber dem Landtag, der Regierung und den Behörden an. Beim Erlass von Gesetzen und Verordnungen stellt er seine sachkundige Mitarbeit zur Verfügung […]“ Das Prinzip der Obleute war anfangs noch nicht in heutiger Form vorhanden. Jedoch wurden die Sparten umfangreich in den weiteren Aufgaben des Verbandes unter §4 der Satzung weiter berücksichtigt. Unter anderem wurden die Pflege der waidgerechten Jagd, die Erhaltung eines gesunden Wildstandes unter Berücksichtigung der Landeskultur, die Förderung des Jagdgebrauchshundewesens, die Bekämpfung des Wildererunwesens sowie Förderung des jagdlichen Schrifttums und die Beratung seiner Mitglieder in allen jagdlichen Belangen festgelegt. Auch die Förderung des Berufsjägertums wurde zur Verbandsaufgabe erhoben. Ebenso wurde die Pflege des Naturschutzes als Aufgabe des Verbandes klar definiert. Dies ist Beleg für den ganzheitlichen Naturschutzgedanken, welcher der Jagd seit jeher inhärent ist und durch Jägerinnen und Jäger bis heute mit Leben gefüllt wird. Dies unterscheidet die traditionsreichen jagdlichen Organisationen von Zusammenschlüssen, die sich einerseits dem Naturschutz nur partiell widmeten, wie etwa dem Vogelschutz oder andererseits ihre Gründung aus der Umweltbewegung der 1970er Jahre herleiteten und sich teilweise zur politischen Lobbyorganisation oder gar Partei entwickelten. Dem Spektrum politischer Lobbyorganisationen können auch jagdliche Zusammenschlüsse jüngeren Datums zugeordnet werden, die in erster Linie ökonomische Interessen im Sinne Ertragsmaximierung auf Kosten des Wildes verfolgen.
Dass sich der Naturschutzgedanke in den folgenden Jahren weiterentwickelte und auf unterschiedlichste Weise im LJV äußerte, zeigen die folgenden Schlaglichter: Zunächst sei an dieser Stelle das Hegelehrrevier des Landesjagdverbandes genannt. Das Hegelehrrevier Grönwohld wird seit 1954 vom LJV betreut und gestaltet. Mit Revierförster Hansen konnte das Revier zu einer beispielhaften Lehrstätte entwickelt werden. Insbesondere wurden die sich im Eigentum des Landesjagdverbandes befindlichen Waldflächen durch verschiedene Maßnahmen wild- und umweltgerecht gestaltet. Aber auch weitere Projekte und Maßnahmen wurden gerade in der Anfangszeit des Verbandes mit einer enormen Tatkraft realisiert. „[…] Zwei Fasanerien in Reinfeld und Wolmersdorf wurden betrieben, mit deren Hilfe jedes Jahr 3.000 Fasanen ausgewildert werden konnten. […] Eine Forschungsstation in Segeberg-Wolfsberg wurde begründet. Drei Kreisberufsjäger sorgten für Beratung in den Revieren. Zwei Schweißhundstationen nahmen ihre Arbeit auf und 16 brauchbare Schießstände wurden betreut. Eine rasante Wiederaufbauarbeit! […]“ berichtet Landesforstmeister a.D. Dr. Georg Volquardts anschaulich.
Weiterhin konnte im Jagdjahr 1955/56 mit 45ha das Herzstück des Dellstedter Birkwildmoors durch den Verband erworben werden. Dem erstmals 1957 mit ca. 70ha ausgewiesenen sowie 1961 und 1989 erweiterten Naturschutzgebiet, das bis heute vom LJV betreut wird, folgten weitere Naturschutzgebiete. Insgesamt werden bis heute 25 Naturschutzgebiete durch den LJV und seine ehrenamtlichen Betreuer betreut. Dabei sind die Gebiete auf das ganze Land verteilt. Die Biotoptypen unterscheiden sich von Seen, über Moore, aber auch Bruchwälder und Dünen zählen zu den besonders geschützten Gebieten.
Wie aus den Mitteilungsblättern deutlich wird, war seit Gründung des Verbandes das Monitoring der wildlebenden Tierarten ein wichtiger Punkt in der Naturschutzarbeit. Anfangs konzentrierte sich dieses Monitoring vor allem auf das Birkwild. Dass sich die einzigartigen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis umfangreich nutzen lassen, wurde früh erkannt. Schließlich war es der heutige Ehrenpräsident des LJV Hans-Jacob Andritter, der in seiner Amtszeit (1995-2002) unter anderem die Einrichtung des Wildtierkatasters Schleswig-Holstein (WTK) in Zusammenarbeit mit der Universität Trier und später mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel verwirklichen konnte. Dieses weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus bekannte Leuchtturmprojekt ist bis heute einzigartig und nutzt die Synergieeffekte von Wissenschaft und Praxis. 2001 wurde dieses schleswig-holsteinische Projekt durch den Deutschen Jagdverband (DJV) auf Bundesebene ausgeweitet. Das Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD) stellt seitdem einen dauerhaften Baustein der ökologischen Umweltbeobachtung dar und steht für einen transparenten Umgang mit wissenschaftlich abgesicherten Daten. Weiterhin führt das WTK umfangreiche Monitoringmaßnahmen, die Hasentaxation sowie Niederwildprojekte bspw. zum Rebhuhn durch.
Aber auch das Thema Kitz- und Jungwildrettung vor der Wiesenmahd, Wildunfälle oder Probleme mit der Zerschneidung der Lebensräume stellten die Jägerschaft damals wie heute vor große Aufgaben. Auch hier war es wiederum ein Projekt aus Schleswig-Holstein, welches bundesweite Beachtung fand und schließlich als Tierfundkataster die Digitalisierung aus Sicht der Jägerschaft hervorragend nutzt.
„Hände weg vom, Jungwild. Auch im Watt!“ Mit diesem Titel und dem Bild eines Heulers titelten die Verbandsmitteilungen im Juli 1964. Für die schleswig-holsteinischen Jäger eine Selbstverständlichkeit und keine Besonderheit, bis heute. Im Land zwischen den Meeren und hier naturgemäß an den Küsten, steht auch der Schutz des Seehundes und anderer Meeressäuger im Fokus. Bereits in den 50er Jahren gab es in Friedrichskoog eine private Heuleraufzucht. Im Garten und auf dem Kutter von Familie Rohwedder konnten zahlreiche Jungtiere aufgezogen und ausgewildert werden. Die erste zentrale Aufzuchtstation entstand 1969 in Büsum. 1985 erfolgte die Gründung der Seehundstation Friedrichskoog durch den Landesjagdverband Schleswig-Holstein und die Gemeinde Friedrichskoog zur Unterstützung der Station in Büsum. Werner „Polli“ Rohwedder wurde der erste Stationsleiter. Bis 1996 leitete er die Seehundstation. Der Landesjagdverband ist bis heute Gesellschafter der „Seehundstation Friedrichskoog“. Den Schleswig-Holsteinischen Seehundjägerinnen und Seehundjäger obliegt die Betreuung von Seehunden, Robben und anderen Meeressäugern (z.B. Kleinwale) sowie die Bergung von toten Meeressäugern, die Durchführung von Kontrollfahrten sowie Informations- und Aufklärungsarbeit. Sie leisten mit ihrem Beitrag eine wichtige Grundlage für die wissenschaftliche Arbeit, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für terrestrische und aquatische Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführt wird. Zu den Aufgaben der Seehundjäger zählen die Beobachtung, die Bergung, der Fang sowie die Weitergabe kranker oder verletzter Seehunde und Robben an die einzige anerkannte Aufzuchtstation „Seehundstation Friedrichskoog“ in Schleswig-Holstein.
Aber auch in unzähligen Biotophegemaßnahmen zeigt sich das jägerschaftliche Engagement im Naturschutz. In der Zeit von 1970 bis 1991 wurden bspw. durch den LJV und seine Mitglieder insgesamt 977ha Feuchtflächen geschaffen, auf 2166ha Deckungs- und Schutzpflanzungen angelegt und jährlich rund 2055ha Wildäsungsflächen angelegt. Zwischen 1987 und 1991 wurden 47km Knick neu bepflanzt und weitere 1,4km Knick neu angelegt. Auf den Pflanzenbörsen wurden 162500 heimische Gehölzpflanzen verteilt. Diese beeindruckenden zahlen können bis in die Gegenwart fortgeschrieben werden.
Ein Meilenstein des LJV war die Anerkennung als staatlich anerkannter Naturschutzverband, die im Jahr 1987 unter Präsident Dr. Ranninger und Geschäftsführer Behrens erfolgte. Im Jahr 1988 wurde die Initiative ProNatur als Naturschutzinitiative des LJV gegründet. Getragen von Spenden und Zuschüssen von Gebietskörperschaften und der Stiftung Naturschutz, werden Gelder zum Erhalt und Entwicklung wertvoller Wildtierlebensräume bereitgestellt. Hierzu wurden Flächen angekauft oder angepachtet. Mit Hilfe der Aufstellung von Pflege- und Entwicklungsplänen für die jeweiligen Flächen wurde der Bedarf für Renaturierungsmaßnahmen und Biotopflegemaßnahmen ermittelt und dann unter maßgeblicher Mithilfe der ortsansässigen Jägerschaft durch ehrenamtlichen Arbeitseinsatz umgesetzt. Nicht unerwähnt sollen an dieser Stelle auch die Artenschutzprojekte zur Wiesenweihe, zum Fischotter, oder zum Seeadler bleiben. „[…] Die Initiativen des Jagdwesens dienten aber auch alle dazu, der Jagd und der Wildbahn im Lande ihren Raum zu erhalten. Den Nutzen davon hatten nicht nur die Jagdbaren Wildarten mit Jagdzeit, sondern auch die ohne eine Jagdzeit und die sonstige freilebende Flora und Fauna. [..]“ resümiert Dr. Volquardts in seinen Ausführungen zur Jagdgeschichte Schleswig-Holsteins. In diesem Zusammenhang muss auch auf die Arbeit der Hegegemeinschaften hingewiesen werden, die einen wertvollen Beitrag leisten und die flächenmäßige Betreuung der jeweiligen Schalenwildart sicherstellen. Unter Berücksichtigung des Schalenwildes als Bio-Ingenieur profitieren von den Managementmaßnahmen der Hegegemeinschaften nicht nur das jagdbare Wild, sondern auch eine Vielzahl von Insekten, Kleinstlebewesen und Organismen. Mit der 1922 gegründeten Rotwildhegegemeinschaft Barlohe gibt es in Schleswig-Holstein indes die älteste Rotwildhegegemeinschaft der Bundesrepublik.
Viele weitere große und kleine Maßnahmen werden jedes Jahr durch Jägerinnen und Jäger durchgeführt. Die vorgenannten Schlaglichter hegen zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sind jedoch Beleg für das jahrzehntelange Engagement der schleswig-holsteinischen Jägerschaft. Grund für dieses Engagement ist in der Jägerschaft selbst zu suchen: 41 Prozent der knapp 385.000 Jäger in Deutschland sind ehrenamtlich tätig. Dabei engagieren sich Frauen mit 47 Prozent öfters als Männer, beispielsweise in der Umweltbildung oder in Naturschutzprojekten.
Auch beim Nachwuchs steht Ehrenamt ungebrochen hoch im Kurs: Mit 45 Prozent wollen sich fast die Hälfte der Jungjäger in einer jagdlichen Vereinigung engagieren, am liebsten im Naturschutz. Im Vergleich dazu die Gesamtbevölkerung: Hier sind lediglich 18 Prozent freiwillig im Umwelt- und Naturschutz aktiv. Allein für ihre ehrenamtliche Naturschutzarbeit investieren Jäger jedes Jahr rund 86 Millionen Euro aus eigener Tasche. Hinzu kommt etwa eine Arbeitswoche pro Monat, die jede Waidfrau und jeder Waidmann durchschnittlich im Revier verbringt. Die Jagd selbst ist bereits ehrenamtliches Engagement für die Allgemeinheit: Jäger sind per Gesetz verpflichtet, einen artenreichen, gesunden Wildbestand zu erhalten. Sie reduzieren Wildbestände, damit Schäden in Wäldern und Feldern nicht Überhand nehmen und Tierseuchen keine Chance haben, sich auszubreiten. Jagd auf Raubsäuger wie Fuchs, Marder oder Waschbär ist zudem ein wichtiger Beitrag für den Artenschutz. Bei Wildunfällen sind Revierpächter rund um die Uhr im Einsatz, um verletztes Wild zu finden oder Unfallbescheinigungen für Autofahrer auszustellen.
Einen umfangreichen jagdgeschichtlichen Überblick finden Sie in der „Jagdgeschichte Schleswig-Holstein“ von Hans Jessen und Dr. Georg Volquardts. Das Werk umfasst auf 656 Seiten die Jagdgeschichte Schleswig-Holsteins von den ersten jagdlichen Aufzeichnungen bis in die heutige Zeit. Es gliedert sich in zwei Teile: Hans Jessen spannte im ersten, reproduzierten Teil des Buches, das schon mal 1958 erschienen war, den Bogen von den ersten jagdlichen Aufzeichnungen im Lande über die Jagdausübung der Feudalherrschaft bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Knapp sechzig Jahre später knüpft Dr. Georg Volquardts, ehemaliger Landesforstmeister von Schleswig-Holstein, mit der weiteren Entwicklung der Jagd bis in die heutige Zeit an. Anschaulich schildern beide Autoren, auf ihre jeweils sehr eigene Art, Meilensteine der Jagdgeschichte im Land zwischen den Meeren.
Der Landesjägerball soll nach aktuellem Stand Ende Februar/Anfang März 2021 stattfinden. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr zum Landesjägerball!
Hier finden Sie den Leitartikel in der aktuellen Ausgabe des „Jäger in Schleswig-Holstein“